Leben in Kambodscha

Der an Wochenenden gut besuchte Angkol Beach in der Provinz Kep.

Wie ich 26 Jahre in Südostasien finanziell überlebt habe

⏱️ Lesedauer: 8 Minuten

„Und wovon lebst du da eigentlich?“ Diese Frage höre ich seit über 26 Jahren, seit ich 1999 mit sehr wenig Startkapital nach Südostasien ausgewandert bin. Die ehrliche Antwort: Ich hatte anfangs absolut keine Ahnung. Keinen Plan, kein Geschäftsmodell, keine Strategie. Nur den extrem starken Wunsch, nicht mehr in Deutschland zu leben und zu arbeiten.

Was dann kam, war eine wilde Reise durch verschiedenste Geschäftsfelder, von der Gastronomie und Insektenzucht über eine Modeschmuckproduktion mit 135 Mitarbeitern bis hin zum Webdesign. Heute, nach über zwei Jahrzehnten in Thailand und Kambodscha, kann ich sagen: Als Expat in Südostasien Geld zu verdienen, ist möglich, aber es erfordert Flexibilität, Mut und die Bereitschaft, sich auf Unerwartetes einzulassen.

Der Anfang: Thailand 1999 – ohne Plan ins Ungewisse

Als ich 1999 auf die thailändische Insel Koh Chang kam, hatte ich keine konkrete Vorstellung davon, wie ich meinen Lebensunterhalt verdienen würde. Ich war einfach dort, lebte mit meiner thailändischen Partnerin zusammen, die ich erst seit ein paar Monaten kannte, und hoffte, dass sich irgendwie eine Möglichkeit ergeben würde.

Und genau so kam es: Wir eröffneten ein Restaurant. Nicht weil ich Koch war oder Gastronomie-Erfahrung hatte, sondern weil meine Freundin ziemlich gut kochen konnte und wir dachten „Warum nicht?“. Das Restaurant lief, wir verdienten etwas Geld, aber dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Wir stritten uns und meine Freundin ließ mich mit dem Restaurant alleine sitzen. Mir blieb nichts anderes übrig, als jemanden zu finden, der das Geschäft gegen eine Abstandszahlung übernehmen würde, was mir auch gelang.

Die Insektenfarm – oder: Wie man aus der Not eine Tugend macht

Nach einiger Zeit rauften wir uns wieder zusammen und kamen auf eine ungewöhnliche Idee: eine Insektenfarm. In Thailand sind frittierte Insekten ein beliebter Snack, und wir dachten, wir könnten die Nachfrage bedienen. Also mieteten wir ein Grundstück im Dschungel, ließen uns einen Bungalow bauen und ein zweites Gebäude für die Insektenaufzucht. Dort begannen wir, Grillen (Tsching Ried) zu züchten.

Es war bizarr und anstrengend, aber wir nahmen wieder Geld ein. Besonders dieses Projekt lehrte mich etwas Wichtiges: In Südostasien gibt es unzählige Nischenmärkte, an die in Deutschland niemand denken würde. Man muss nur die Augen offenhalten und bereit sein, unkonventionelle Wege zu gehen.

Dann wurde meine Freundin schwanger und fiel irgendwann als Arbeitskraft aus. Um Angestellte zu bezahlen, reichten die Einnahmen nicht aus, sodass wir keine andere Möglichkeit sahen, als uns geschäftlich erneut umzuorientieren.

Das Touristen-Resort: Erfolg mit Vermietung

Da wir das ziemlich große Grundstück langfristig gemietet hatten und wir uns dort sehr wohl fühlten, ließen wir das Gebäude, in dem die Insektenzucht untergebracht war, zu vier Zimmern für Touristen umbauen. Dazu bauten wir noch drei Bungalows und wandelten das wild bewachsene Grundstück in einen schönen tropischen Garten um.

Seitdem ich auf der Insel Koh Chang angekommen bin, war das die beste Idee gewesen. Der Laden lief von Anfang an bombig. Wir waren mit dem richtigen Konzept am richtigen Ort. Zu dieser Zeit kamen Rucksacktouristen aus aller Welt auf die Insel, die genau das suchten. Günstige, saubere Unterkünfte, mitten im Dschungel, nicht weit vom Strand entfernt.

Dieses kleine Resort, welches nicht einmal einen Namen hatte, ernährte meine mittlerweile entstandene Familie (wir hatten einen Sohn bekommen und ich habe meine Freundin geheiratet) etwa 6 Jahre lang ohne Probleme.

Webdesign – ein Freund öffnet eine neue Tür

Parallel zum Resort-Geschäft kam durch einen Freund ein völlig neues Kapitel in mein Leben: Webdesign. Er verdiente schon jahrelang Geld im Internet und fragte mich, ob ich nicht auch Interesse daran hätte. Die hatte ich natürlich, sodass er mehrmals in der Woche zu mir kam, um mir die Grundlagen für die Erstellung von Webseiten zu lernen.

Diese Tätigkeit lag mir und ich fummelte mich ziemlich schnell ein. Webdesign war ein wachsender Markt, und plötzlich hatte ich etwas gefunden, das mehrere Vorteile vereinte:

  • Ortsunabhängiges Arbeiten
  • Keine physische Infrastruktur nötig
  • Internationale Kunden möglich
  • Skalierbar ohne große Investitionen

So wurde Webdesign langsam zu meiner Haupteinnahmequelle und sollte es bis heute bleiben.

Der Wandel – Die Insel veränderte sich

Was einst ein Geheimtipp unter Rucksacktouristen war, veränderte sich zu einem Ort des Massentourismus. Zuerst nahmen Autofähren den Betrieb auf, es wurden 7-Eleven-Geschäfte eröffnet und Geldautomaten installiert. Damit kam auch eine andere Art von Touristen auf die Insel: Leute, die Zimmer mit Klimaanlage haben wollten und einen Swimmingpool vor der Zimmertür.

Wo wir vorher ganz allein waren, entstanden plötzlich um uns herum Anlagen, die genau das alles boten. Da konnten wir natürlich nicht mithalten. Unsere Besucherzahlen gingen immer weiter zurück, sodass wir uns wieder einmal etwas Neues überlegen mussten. So kam es, dass wir jemanden fanden, der unser kleines Resort übernahm, und wir brachen in die Küstenstadt Sihanoukville im Nachbarland Kambodscha auf.

2007: Der Umzug nach Kambodscha

Als wir 2007 von Thailand nach Kambodscha zogen, verdiente ich bereits hauptsächlich mit Webdesign mein Geld. Meine Kunden waren vorwiegend in Deutschland, der Schweiz und Österreich, mein Standort war denen egal, solange ich zuverlässig war und Qualität zu günstigen Preisen lieferte. Somit erübrigte sich in Kambodscha die Suche nach einer neuen Geschäftsidee.

Kambodscha war damals noch viel weniger entwickelt als Thailand. Aber genau darin lagen auch neue Chancen. Das Land öffnete sich gerade für Investitionen, der Tourismus wuchs und es gab viele Möglichkeiten für Unternehmer. Dieses Mal war es ein Vorteil für mich, dass der Tourismus sich entwickelte. Es eröffneten ständig neue Restaurants, Gästehäuser und Hotels, die alle eine Webseite haben wollten, und ich war der einzige Webdesigner vor Ort.

Der unerwartete Karriereschritt: Produktionsleiter für Modeschmuck

2009 passierte etwas, womit ich nie gerechnet hätte: Ich wurde von einem deutschen Unternehmer aus Thailand als Produktionsleiter einer Modeschmuckfabrik in Sihanoukville mit 135 Mitarbeitern engagiert. Durch Zufall – ein Internet-Kontakt über diesen Blog und zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Ich hatte keine Erfahrung in Produktion, keine Ahnung von Modeschmuck und sprach nur ein wenig Khmer. Trotzdem nahm ich die Herausforderung an. Die nächsten fünf Jahre waren intensiv: Management, Personalführung und Qualitätskontrolle, alles in einem fremden Land mit fremder Kultur und Sprache.

Es war eine der lehrreichsten Zeiten meines Lebens. Ich lernte:

  • Wie man in Kambodscha Mitarbeiter führt (ganz anders als in Deutschland)
  • Wie man mit Behörden und bürokratischen Hürden umgeht
  • Wie wichtig kulturelles Verständnis für erfolgreiche Geschäfte ist
  • Dass Flexibilität und Improvisation oft wichtiger sind als perfekte Planung

Da ich im Laufe der Zeit ein gutes Team zusammenhatte (Vorarbeiter, Anwalt und Buchhalter), das den größten Teil der Arbeit übernahm, hatte ich genug Zeit, parallel dazu weiter Webdesign zu machen. Diese zweite Einnahmequelle war meine Absicherung und sollte sich als klug erweisen.

2014: Zurück zu den Wurzeln – Webdesign als Hauptberuf

Als die Modeschmuckfabrik wegen schlechter internationaler Wirtschaftslage 2014 geschlossen wurde, war das zunächst ein Schock. Aber ich hatte ja mein Webdesign-Business im Hintergrund weiterlaufen lassen. Also konzentrierte ich mich wieder voll darauf und tue es bis heute.

Webdesign hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Heute geht es nicht mehr nur um hübsche Webseiten, sondern um komplexe digitale Lösungen: E-Commerce, SEO, Content-Management, Responsive Design, User Experience. Ich habe mich stetig weitergebildet, neue Technologien gelernt und mein Angebot entsprechend erweitert.

Was ich über das Geldverdienen in Südostasien gelernt habe

Nach knapp 27 Jahren in Südostasien, davon 18 Jahre in Kambodscha, habe ich einige wichtige Lektionen gelernt:

1. Flexibilität ist alles: Der ursprüngliche Plan funktioniert selten. Ich wollte nie Restaurantbetreiber, Insektenzüchter, Produktionsleiter oder Webdesigner werden, aber ich war offen für Gelegenheiten, die sich ergaben.

2. Mehrere Standbeine sind Gold wert: Wenn möglich, nie nur auf eine Einkommensquelle setzen. Webdesign neben dem Produktionsjob zu behalten, hat sich als lebensrettend erwiesen.

3. Digitale Fähigkeiten sind die beste Versicherung: Ortsunabhängige Arbeit gibt Freiheit und Sicherheit. Programmieren, Design, Online-Marketing – solche Fähigkeiten sind überall gefragt.

4. Netzwerke sind entscheidend: Fast jeder meiner Jobs kam durch persönliche Kontakte. In Südostasien läuft vieles über Beziehungen und Empfehlungen.

5. Kulturverständnis ist unverzichtbar: Wer in Südostasien erfolgreich Geschäfte machen will, muss die Kultur verstehen, die Landessprache zumindest ansatzweise sprechen und Respekt vor lokalen Gepflogenheiten haben.

Fazit: Es ist möglich – aber nicht einfach

Als Expat in Thailand oder Kambodscha Geld zu verdienen, ist definitiv möglich. Ich bin der lebende Beweis dafür. Aber es ist kein Spaziergang. Es erfordert Mut, Flexibilität, harte Arbeit und die Bereitschaft, aus der Komfortzone zu treten.

Mein Weg war kurvenreich: Restaurant, Insekten, Resort, Webdesign, Produktionsleiter, wieder Webdesign. Heute lebe ich von digitaler Arbeit im idyllischen Kep am Meer und bin damit zufriedener als je zuvor.

Wäre ich mit einem festen Plan und starren Vorstellungen nach deutschem Muster nach Asien gekommen, wäre ich wahrscheinlich gescheitert. Aber weil ich offen war für unerwartete Gelegenheiten und bereit, auch unkonventionelle Wege zu gehen, hat es funktioniert.

Und das kann es für jeden, der bereit ist, sich auf ein abenteuerliches Leben einzulassen.

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Der Blog Author auf einem Steg im Sailing Club Kep.

Der Autor

Hallo, ich bin Andreas Stöcker unter Kambodscha Fans als Don Kong bekannt. Ich lebe seit 1999 in Südostasien, von wo ich über Land, Leute und mein Leben berichte.

Wie ich in Südostasien gelandet bin?

DONKONG Webdesign