Leben in Kambodscha

Wachposten an der kambodschanisch-thailändischen Grenze

Der Konflikt zwischen Kambodscha und Thailand

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Nachdem am 28. Juli zwischen Kambodscha und Thailand ein Waffenstillstand vereinbart wurde, kam es seitdem offenbar immer wieder zu Verletzungen dieses Abkommens. Dabei beschuldigte jede der beiden Seiten die andere, sich nicht an die Vereinbarungen gehalten zu haben.

Der jüngste Vorfall ereignete sich vor zwei Tagen, am 27. September, bei dem einige Schüsse gefallen sein sollen und wohl auch Granaten abgefeuert wurden. Zum Glück wurde niemand verletzt oder getötet. Die Kambodschaner sagen, es waren die Thais, und die Thais sagen, es waren die Kambodschaner. Alles in allem eine Situation, als wenn sich zwei Kinder streiten und danach geklärt werden soll, wer angefangen hat.

Hier in Südostasien, nicht anders als in anderen Teilen der Welt, laufen die Menschen, die sich ja selber als intelligente Wesen bezeichnen, wieder einmal zur Höchstform auf. Dabei ist man aus christlich, islamisch und jüdisch geprägten Ländern ja seit Jahrhunderten gewohnt, dass Konflikte mit Waffengewalt gelöst werden. Aber wie man sieht, ist das in buddhistischen Ländern nicht viel anders.

Wie buddhistisch sind buddhistische Länder?

In Kambodscha und Thailand, in denen der allergrößte Teil der Bevölkerung vor Mönchen und Buddha-Statuen niederkniet, um deren Segen zu empfangen, wird alles, was Buddha gelehrt hat, über den Haufen geworfen, wenn es zu Unstimmigkeiten kommt. Gier, Stolz und Machthunger überwiegen jede gutgemeinte buddhistische Lebensphilosophie, die friedliches Zusammenleben, Selbstlosigkeit und Mitgefühl lehrt.

Besonders enttäuschend ist hierbei die thailändische Seite, da diese ja offenbar der Aggressor ist. Immerhin war der erste erschossene Soldat ein kambodschanischer und Thailand erhebt Anspruch auf grenznahe Landstriche, die laut offiziellen Karten zu Kambodscha gehören und seit Jahrzehnten von Kambodschanern bewohnt werden.

Dabei werden in Thailand buddhistische Traditionen ganz besonders hochgehalten, mehr, als ich es in Kambodscha erlebe. Als ich noch in Thailand gelebt habe, waren die Tempel voll mit Mönchen. Da auch ich einige Zeit in einem Tempel als Novize verbracht habe, kann ich sagen, dass diese Leute aus voller Überzeugung dort waren. In Kambodscha dagegen sieht man viele Kinder aus armen Verhältnissen in orangen Roben. Diese werden von ihren Eltern dorthin geschickt, weil sie im Tempel versorgt werden und einen gewissen Grad an Bildung erhalten.

Wie sehen die Thais ihre kambodschanischen Nachbarn?

Bevor ich nach Kambodscha gekommen bin, war mein Wohnort in Thailand nahe der kambodschanischen Grenze. Mein persönliches Umfeld bestand größtenteils aus der lokalen Bevölkerung, sodass ich viel darüber gelernt habe, was es bedeutet, Thai zu sein. Ein großer Teil der Thais sieht sich in der Region in einer gewissen Weise als Herrenmenschen. Im übersensiblen Deutschland würde man diese Einstellung wahrscheinlich als extrem rechts bezeichnen.

Kambodschaner gelten für viele Thais als unterentwickelte Bettler, also Menschen einer niederen Klasse. Wohlgemerkt gilt das selbstverständlich nicht für alle Thailänder, aber für sehr viele. Kambodschaner sind für Thais nichts weiter als billige Arbeitskräfte für Jobs, für die sich die Thais zu schade sind. Sie sind geduldet, werden aber nicht als vollwertig akzeptiert.

Die Gründe, warum Kambodscha in vielen Bereichen, sei es wirtschaftlich, infrastrukturell oder sonstig, nicht mit Thailand mithalten kann, werden dabei völlig außer Acht gelassen. Dass sich Kambodscha nach der Schreckensherrschaft der „Roten Khmer“ und dem darauffolgenden Krieg praktisch immer noch in einer Art Erholungsphase befindet, wird offenbar ignoriert.

Von all dem bekommt man natürlich nichts mit, wenn man einmal im Urlaub für drei Wochen auf Phuket oder Koh Samet am Strand gelegen hat. Dort sieht man nur Menschen, die einen freundlich anlächeln.

Der zweifelhafte Anspruch auf antike Tempelanlagen

Hardliner in Thailand sind der Meinung, dass antike Tempelanlagen wie Angkor Wat eigentlich zu Thailand gehören und nicht zu Kambodscha. Dies betrifft natürlich auch die Tempel Preah Vihear (Prasat Preah Vihear), Prasat Ta Muen Thom und Prasat Ta Krabey in der umstrittenen Grenzregion.

Geschichtlichen Aufzeichnungen zufolge ist das erste thailändische Königreich 1238 n. Chr. in Zentralthailand von einem Tai-Häuptling namens Sri Intraditya gegründet worden, nachdem er seine Unabhängigkeit von den Khmer-Oberherren erklärt hatte. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Khmer- oder Angkor-Reich, welches im Jahr 802 n. Chr. gegründet wurde, schon seit 436 Jahren.

Der Bau von Angkor Wat begann 1116 n. Chr. unter König Suryavarman II. und endete kurz vor seinem Tod im Jahr 1150 n. Chr. Auch der Preah-Vihear-Tempel stammt aus dem 11. Jahrhundert n. Chr., aber einige Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass er bereits seit dem 9. Jahrhundert existiert. Das bedeutet, dass die Tempel schon lange standen, bevor das erste thailändische Königreich erwähnt wird.

Basierend auf diesen Fakten ist der von Thailand gestellte Anspruch auf diese einzigartigen historischen Bauwerke sehr zweifelhaft. Dieses Anspruchsdenken wird zudem von einer Generation zur nächsten weitergetragen, indem man den Kindern in den Schulen eine offenbar umgeschriebene, auf Thai-Bedürfnisse zugeschnittene Geschichts-Version lehrt.

Fazit: Das buddhistische Thailand sollte sich an die selbst auferlegten buddhistischen Werte halten und nicht das militärisch und wirtschaftlich unterlegene Nachbarland Kambodscha bedrohen. Denn nur so können Stabilität und Sicherheit für alle in der Region garantiert werden. Gier und Stolz sollten abgelegt werden, denn sie sind keine guten Berater, wenn es darum geht, eine friedliche Koexistenz zweier benachbarter Länder zu erreichen.

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„Alles, was wir sind, ist ein Resultat dessen, was wir gedacht haben.“ – aus dem Dhammapada

Der Blog Author auf einem Steg im Sailing Club Kep.

Der Autor

Hallo, ich bin Andreas Stöcker unter Kambodscha Fans als Don Kong bekannt. Ich lebe seit 1999 in Südostasien, von wo ich über Land, Leute und mein Leben berichte.

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